Kleine Teile, große Wirkung

Veröffentlicht am 22.09.2016 in: Studien Revolutions-Update Konsum und Umwelt Interviews Politik erstellt von MeinMacher

Mit dieser Überschrift würdigt die Ökonomin, Wissenschaftlerin und Autorin Christine Ax die Bedeutung der Reparatur für die Nutzungsdauer von Produkten und damit die Nachhaltigkeit. Der Fachzeitschrift für nachhaltiges Wirtschaften, ReSource, war das Thema gleich 6 Seiten wert.

 

Die Quintessenz: „Die Förderung der Reparatur und insbesondere die Ersatzteilverfügbarkeit können die Nutzungsdauer von Produkten deutlich verlängern.“

Dafür, wie wichtig das ist, gibt es mittlerweile belastbare Zahlen. Die Studie des Bundesumweltamtes (UBA) zur Obsoleszenz belegt, dass technische Defekte auch bei ausgereiften Geräten immer früher auftreten und zum steigenden Abfallaufkommen beitragen. Dagegen kämpfen unter anderem die www.reparatur-revolution.de und der www.runder-tisch-reparatur.de. Dieser wurde im Oktober 2015 gegründet und hat im November 2015 ein Positionspapier mit 8 Forderungen für bessere Reparaturbedingungen an Umwelt-Staatssekretär Jochen Flasbarth übergeben.

Das reparierende Handwerk glaubt, dass mehr repariert wird, wenn diese Top-3- Maßnahmen ergriffen werden:

  1. Einfacher Zugang zu Ersatzteilen zu angemessenen Preisen

  2. Aufklärung der Verbraucher, wie wichtig die Reparatur von Elektrogeräten für die Nachhaltigkeit ist

  3. Reparaturautorisierung für Fachbetriebe während der Garantiezeit, damit Verbraucher nicht nur vom Hersteller abhängig sind

Darüber, wie vor allem die erste Forderung nach einer besseren Ersatzteilversorgung ganz praktisch umgesetzt werden kann, hat sich Detlef Vangerow Gedanken gemacht. Er ist Initiator der Reparatur-Revolution und des Runden Tisch Reparatur und gilt als Experte des Reparaturmarktes für elektrische und elektronische Geräte in Deutschland. Im Gespräch mit Christine Ax für die Fachzeitschrift ReSource fordert er nicht nur den „einfachen Zugang zu Ersatzteilen zu angemessenen Preisen“, er will, dass Hersteller für 7 Jahre verpflichtet werden Ersatzteile kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Diese 7-jährige Ersatzteilgewährleistung wären aus seiner Sicht ein effektiver und praktikabler Anreiz, um langlebige Produkte herzustellen. Zum Nutzen der Verbraucher, des Handwerks und der Industrie.

Diese übernimmt im Falle einer Reparatur die Ersatzteilkosten. Das ist durchaus zumutbar, denn im Durchschnitt sind das 3 Prozent des Geräte-Neupreises, bei einer Waschmaschine die 500 Euro kostet also ca. 15 Euro. Da sich aber auch diese Kosten läppern, erhofft Vangerow sich dadurch, dass mittelfristig haltbarere und reparaturfreundlichere Geräte hergestellt werden.Dem Verbraucher gibt die Ersatzteilgewährleistung vor allem eine bessere Planungssicherheit. Er hat zwar die Arbeitskosten für die Reparatur zu tragen, die Kosten werden aber trotzdem sinken und die Frage, ob sich eine Reparatur noch lohnt, sicher öfter als heute mit „ja“ beantwortet. Profitieren werden natürlich auch die immer weniger werdenden Reparaturhandwerker, die es noch in Deutschland gibt. Dadurch, dass von vorneherein sichergestellt ist, dass das Ersatzteilproblem gelöst ist und Verbraucher die Reparatur attraktiver bewerten, können sie davon ausgehen, dass auch mehr repariert wird.

Wenn ein Verbraucher heute mit einem kaputten Gerät zu einer Werkstatt kommt, ergibt sich häufig folgendes Szenario: Der Techniker verlangt eine Gebühr, um den Fehler festzustellen und die Reparaturkosten abzuschätzen. Der Kunde weiß zu diesem Zeitpunkt aber i.d.R. nicht, was auf ihn zukommt. Ob eine Reparatur überhaupt möglich ist bzw. sich noch lohnt. Wenn nicht, ist das Geld für den Kostenvoranschlag zum Fenster rausgeschmissen. Schade. Auch, wenn diese Kostenvoranschläge nicht kundenfreundlich sind – Vangerow wünscht sich schon lange eine „kostenlose Reparaturberatung“ durch die Handwerker – so hat er doch auch Verständnis dafür. Schließlich ist es oft ganz schön aufwendig den Fehler festzustellen. Das Gerät muss auseinandergeschraubt werden und dafür einiges an Zeit investiert werden. Und das auf die Gefahr hin, dass eine Maschine am Ende nicht repariert werden kann, weil es kein Ersatzteil gibt oder nur komplexe, teure Ersatzteil-Baugruppen erhältlich sind, was die Reparatur für den Kunden unwirtschaftlich macht.

Ist das Ersatzteilproblem gelöst, kann der Techniker den Aufwand viel besser abschätzen.

Er weiß wie lange er braucht, um ein Gerät zu öffnen, kann eine pauschale Zeit für die Fehlersuche einplanen und tauscht dann ein verfügbares Teil aus. Aufgrund seiner Erfahrung wird er dem Kunden schon zu Beginn ziemlich genau sagen können, wie groß der Zeitaufwand für die Reparatur ist und der Verbraucher bekommt eine solide Entscheidungsgrundlage ob sich eine Reparatur für ihn lohnt oder nicht.

Vangerow hat es eilig damit, dass die 7-jährige Gewährleistungsverlängerung umgesetzt wird. Denn als Geschäftsführer der Vangerow GmbH, die mit rund 1000 freien Reparaturwerkstätten für elektrische und elektronische Geräte in Deutschland zusammen arbeitet, sieht er noch ein ganz anderes Problem. Immer mehr Reparaturbetriebe schließen aus Altersgründen, Nachfolger sind nicht in Sicht, weil die Branche nicht attraktiv ist, es wird immer weniger ausgebildet und die Industrie bietet bessere Konditionen als ein klassischer Handwerksbetrieb. Wenn es so weitergeht, werden Techniker immer mehr zu einer aussterbenden Spezies. Mit dramatischen Folgen. Doch das ist wieder ein ganz anderes Thema...

Den kompletten Artikel von Christine Ax in ReSource und ihr Interview mit Detlef Vangerow gibt es hier als PDF.

Förderung der Reparatur Resource